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Chronik des Vereins

1895 - 1995: 100 Jahre Sportvereinigung Taunusstein-Neuhof e.V.: Auszüge aus der Festschrift anlässlich der Jubiläums-Festtage vom 23. bis 25. Juni 1995
(Redaktion: Heidrun Zickermann, Sören Zickermann, Marion Bund)

Historische Vereinsfahne

Die Überlieferung des Gründerprotokolls im Original, die Vereinsfahne, einige Fotos aus frühen Jahren, eine Menge froher und wehmütiger Erinnerungen, aber auch von Anbeginn an ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl, Idealismus, Opferbereitschaft, Sportgeist, Begeisterung und bis heute freiwillliges Engagement. Ohne solche Wertvorstellungen kann ein gemeinnütziger Verein nicht überleben.

Man versetze sich in das 19. Jahrhundert, als Neuhof mit seinen 200-250 Einwohnern noch ein liebenswertes, verträumtes und kaisertreues Örtchen war. Das Tageslicht bestimmte den Alltag, die Einwohner ernährten sich meist von den eigenen Feldern, die noch mit Kühen beackert wurden und wer eine Arbeitsstelle ausserhalb Neuhofs hatte, musste dorthin zu Fuss laufen (und sei es bis nach Wiesbaden oder weiter). Abends traf man sich zu Gesang oder Gesprächen über die Tagesereignisse in den Wirtshäusern.

Der Gedanke, einen Turnverein zu gründen, kam nicht von ungefähr. Durch 'Turnvater' Jahn wurde 1813 die Turnerbewegung in die preussische Armee eingeführt und wurde darüber hinaus Allgemeingut. 1819 erliess zwar das Königreich Preussen ein allgemeines Turnverbot, hob es aber 1841 wieder auf, um es als 'notwendigen und unentbehrlichen Bestandteil der männlichen Erziehung' anzuerkennen.

In Neuhof wurde der Turnverein am 3. April 1895 durch eine konstituierende Sitzung gegründet, an der folgende Bürger Neuhofs teilnahmen: Philipp Schneider, der den Vorsitz übernahm, Wilhelm Ludwig Gros, Willi Niebergall, Julius Gros, Adolf Zehner, August Weimar, Karl Müller, Theodor Gros, Christian Roth, Wilhelm Bund, Wilhelm Lautz und Lehrer Geis, der die Turnstunden leiten sollte. Da zu den damaligen Zeiten strenge Gesetze herrschten, musste eine Satzung erstellt werden. Sie glich eher einer 'Heeresvorschrift' und musste ausserdem vom Gemeinderat genehmigt und durch Unterschriften bestätigt werden. Der damalige Gemeinderat setzte sich aus Bürgermeister Gros und den Vorstehern Klink, Vef und Becker zusammen.

Laut Statuten diente der Turnverein in

§ 1 zum Zweck der Kräftigung und Bildung des Körpers und des Geistes. Sitte und Anstand unter der teilnehmenden Jugend war anzustreben und Gemeinsinn sowie Pflege der
Vaterlandsliebe zu fördern.

§ 3 besagt, dass Ordnung, Sittlichkeit, Berufstreue und Brudersinn als Grundbedigungen der Mitgliedschaft betrachtet und überwacht werden.

§ 4 verlangt u.a. von den aktiven Turnfreunden regelmässigen Besuch der Turnstunden

§ 5 legt die Aufnahmebedingungen zugrunde: zurückgelegtes 17. Lebensjahr, unbescholtener Ruf und wohnhaft in Neuhof

§ 8 erklärt, dass jeder ausgeschlossen werden kann, der des Namens 'Mitglied des Turnvereins' unwürdig geworden ist und

§ 9 begründet die Unwürdigkeit: a) durch unsittlichen Lebenswandel b) durch wiederholt gerügtes, unanständiges Betragen c) durch Weigerung des Gehorsams gegen das Statut oder die Turnordnung d) wenn ein Mitglied mehr als ein 1/4 Jahr Beiträge schuldet und nach erfolgter Mahnung innerhalb 4 Wochen nicht bezahlt e) durch dem Turnwesen feindliche und nachteilige Reden und Handlungen und f) durch Abbüssung von Zuchthausstrafen oder einer mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verbundenen Gefängnisstrafe.

Wer die alte deutsche Schrift noch lesen kann, in der das Gründerprotokoll geschrieben wurde, erfährt vieles über gesetzmässige Pflichten, die sowohl Vorstand als auch Mitgliedern auferlegt wurden. Man findet aber auch einige 'Anekdoten', die unsereinen heute eher zum Schmunzeln bringen.

So liest man beispielsweise am 28. April 1895 im Protokollbuch des Turnvereins Neuhof:'Geschehen, Neuhof, den 28. April 1895. Am heutigen Tag fand di Monatsversammlung für den April statt. In derselben wurde folgendes verhandelt. Der 1. Vorsitzende eröffnet die Sitzung um 8 Uhr und erteilt dem 1. Turnwart das Wort...'und das Protokoll vom 21. September 1895 zeigt, dass damals wie heute ähnliche Vorkommnisse das traute, friedsame Vereinsleben stören:

'...der 1. Vorsitzende machte bekannt, dass die Mitglieder (...) und (...) am 11. September sich aus der Turnstunde entschuldigten, dass sie später kämen, wurden aber
während der Turnstunde vom 1. Turnwart in der Wirtschaft angetroffen. Hierüber erteilte ihnen der Vorsitzende einen Verweis und ebenfalls Strafe. Weiter wurde von dem Vorstande beschlossen, dass jeder Turner, der ohne genügende Entschuldigung aus der Turnstunde fehlt oder auch wenn er entschuldigt ist und während der Turnstunde in einer Wirtschaft angetroffen wird, kann sofort aus dem Verein ausgeschlossen werden.'

Und im amüsanten Nachtrag zu dieser Episode erkennt man, dass sich Neuhof schon seit jeher einer eigenen aufmüpfigen Bevölkerung erfreut: 'Das Vereinsmitglied (...) wurde wegen feindlicher Redensarten gegen den Turnverweis von dem Vorstand aus dem Verein ausgeschlossen...'

Schon damals bereitete sich der Verein sorgsam auf Feiern vor. Meisterlich die Art der Entscheidungsfällung aus der 'Monatsversammlung vom 4. Januar 1896 (Auszug): '...da machte der 1. Vorsitzende als folgenden Punkt der Tagesordnung bekannt: die Feier des 18. Januar. Da meldete sich der 1. Turnwart zu Wort und erklärte die Bedeutung des 18. Januar. Der erste Vorsitzende liess abstimmen, ob der Tag gefeiert werden soll, dieses wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen. Weiter wurde noch beschlossen, dass Familienangehörige beiwohnen dürfen. Der 1. Vorsitzende frage die ob jemand eine Ansprache oder einen Vortrag halten wolle, darauf meldete sich Adolf Bierod und Emil Kugelstadt.

Alsdann machte der 1. Vorsitzende bekannt, daß der Vorstand des Kriegervereins unserem Vorstand zur gemeinschaftlichen Sitzung, wegen der Besprechung der Feier des Kriegers Geburtstages, auf Sonntag, den 29. Dez. in ihr Vereinslokal eingeladen hatte. In dieser Sitzung wurde der Vorstand des Turnervereins gefragt, ob der Turnerverein der Feier beiwohnen wolle. Der 1. Vorsitzende antwortete: Wir könnten noch keine Zusage geben, bis der Verein darüber gefragt sei. Hierüber liess der Vorsitzende die Versammlung abstimmen:

Da wurde einstimmig beschlossen, der Feier beizuwohnen. Der 1. Turnwart meldete sich zu Wort und erklärte, daß die Turner bei dieser Feier einige Lieder singen könnten, dazu auch die unaktiven Mitglieder freundlichst einzuladen wären. Der 2. Turnwart stellte den Antrag, daß von dem Verein 12 Fackeln angeschafft werden sollen. Dieser Antrag wurde mit Stimmenmehrheit angenommen...'

Geturnt wurde im damaligen Saalbau 'Schrank'. Die erforderlichen Turngeräte wurden unter grössten Opfern beschafft und zu den  Wettkämpfen fuhr man im blumengeschmückten Heuwagen.

1910: wurde die Vereinsfahne erstmals der Bevölkerung vorgestellt. Die erfolgreichen Wettkampfjahre wurden durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges unterbrochen, aus dem mancher Turner nicht mehr heimkehrte. Obwohl die Besatzungsmächte den Saalbau beschlagnahmten, wurde nach dem Kriege auf dem Gelände hinter dem Gasthaus 'Zur Burg' oder bei schlechtem Wetter im Pferdestall von Julius Gros weitergeturnt.

1920: erweiterte Adolf Roth durch die Gründung eines Spielmannzuges den Verein.

1922: konnte aufgrund der guten Leistungen der Neuhofer Turner erstmals ein Gauturnfest stattfinden. Ab 1920 stand der Name von Alfred Gros in den Turnersiegerlisten auf den vordersten Plätzen. Sein Sieg beim Feldbergturnfest und vorderste Plätze bei den Deutschen Turnfesten in Köln, Stuttgart und Breslau führten zur Berufung in die Deutschlandriege der Turner. Mit mehreren Olympiasiegern und Weltmeistern vertrat Alfred Gros Deutschland bei den Turnwettkämpfen im Ausland.

1924: gründeten Wilhelm Brech, Edmund Niebergall, Ernst Gros I, Emil Bach, Emil Roth, Wilhelm Gros II, Eduard Konrad, Willi Brech und Albert Bund den Radfahrverein Neuhof.

Unter dem Vorsitz von Wilhelm Brech errang dieser Verein hervorragende Plätze bei Hessen- und Bezirksmeisterschaften. Auch der Turnverein, dem nach Philipp Schneider noch August Weimar, Theodor Gros, Wilhelm Lautz und Wilhelm Hahn vorstanden, konnte weiterhin grosse sportliche Erfolge verzeichnen.

1945: schlossen sich Turnverein und Radverein auf Initiative von Wilhelm Brech, der auch den Vorsitz übernahm, zur Sportvereinigung Neuhof zusammen, da die amerikanische
Besatzungsmacht jeder Gemeine nur einen einzigen Verein bewilligte. Von diesem Zeitpunkt an konnten die Mitglieder folgende Sportarten ausüben: Geräteturnen, Leichtathletik, Faustball, Frauenturnen und Kunstradfahren.

1952: wurde auf Initiative und unter Leitung des damaligen Bürgermeisters und erfolgreichen Turners in der Deutschlandriege, Alfred Gros, die Neuhofer Gemeindehalle in

Eigenhilfe und Eigenarbeit erbaut. Es war die erste Gemeindehalle im Untertaunuskreis. Sie wurde dem Verein damals von der Gemeinde per Pachtvertrag auf Erbpacht für 99 Jahre mit einem jährlichen Pachtzins von 10,00 DM zur Verfügung gestellt. Die Halle bedeutete eine grosse Errungenschaft für den Hallensport.

1959: gründete Heinz Silbereisen einen Fussballverein. Innerhalb kurzer Zeit hatte man zwei Mannschaften zusammengestellt, die dem runden Leder nachjagten. Gespielt wurde auf dem Sportplatz in Orlen, da in Neuhof kein Gelände zur Verfügung stand. Den ersten Satz Trikots stiftete Julius Gros.

1960: schlossen sich Sportverein und Fußballverein zusammen. Aus Tradition und Verpflichtung hereaus wurde die Sportvereinigung 1895 Neuhof geboren. Den Vorsitz übernahm Heinz Silbereisen, ihm zur Seite standen Heinz Mohn (2. Vorsitzender), Ernst Mewes (Geschäftsführer), Klaus Hannes und Karl Mager (Kassierer). Ehrenvorsitzender wurde Wilhelm Brech, der von 1924 bis 1960 den Verein geleitet hatte. Wiederum in Eigenhilfe wurde mit Unterstützung der Gemeindevertretungen und der Bürgermeister Richard Gros und Ernst Mewes der Sportplatz an der Gemeindehalle erbaut (heute Schulgelände) und die erste Flutlichtanlage im Untertaunus von Otto Lerch errichtet und von seinem Sohn Siegfried kostenlos installiert.

1969: wurde eine zeitgemässe Vereinssatzung ausgearbeitet, von der Generalversammlung angenommen und beschlossen, den Verein 1970 in das Vereinsregister eintragen zu lassen.

1970: wurde im Mai im Rahmen einer Sportwoche das 75-jährige Vereinsjubiläum mit Festveranstaltungen und einem Jubiläums-Fussballturnier gefeiert. Im Jubiläumsjahr waren
von 1200 Einwohnern Neuhofs 330 Mitglieder in der Sportvereinigung. Es gab Fussball, Wandern, Frauenturnen, Tischtennis, Kegeln und Kinderturnen. Eine hervorragende Jugendarbeit wurde durch den ehemaligen Ligaspieler Heinrich Rischer im Fussball geleistet. Die Fussballabteilung erreichte innerhalb von 10 Jahren am Ende der Saison 1968/69 nach 24 Spielen ohne Niederlagen die Meisterschaft in der B-Klasse Ost des Untertaunuskreises und den Aufstieg in die A-Klasse. Ausserdem wurde sie Kreispokalmeister - eine Leistung, die zu diesem Zeitpunkt im Untertaunus noch nicht zu verzeichnen war. Zu dieser Zeit gab es auch schon drei Damen-Fussballmannschaften (darunter eine
amerikanische) wobei eine Damenmannschaft in der Verbandsrunde in der A-Klasse Rheingau/Taunus mit Erfolg spielte.

Grosse Erfolge hatte auch bis 1980 die Leichtathletikabteilung der Frauen mit Renate Hengstler, Hannelore Heidl, Brigitte Silbereisen und Helga Vef zu verzeichnen. Trotz
fehlender Sprunganlagen und Laufbahnen auf dem Sportplatz wurden zahlreiche Kreis-, Bezirks- und Gaumeisterschaften erreicht.

1979: findet erstmals ein Austausch zwischen den Jugendfussballmannschaften unseres Vereins und den Jugendfussballern aus der französischen Partnerschaftsstadt Herblay (bei
Paris) statt.

1981: wird für den Verein insofern wichtig, als mit dem Bau der neuen Sportanlage im Maisel begonnen wurde. Die ersten Planungen hierzu begannen bereits im Jahre 1965.

1982: wird das Sportlerheim im Maisel nach sechsmonatiger Bauzeit kurz vor Weihnachten dem Verein offiziell von der Stadt Taunusstein übergeben.

1983: findet im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung anlässlich der 10-jährigen Partnerschaft zwischen Taunusstein und Herblay (bei Paris) ein internationales Jugendzeltlager mit über 300 Jugendlichen statt, bei dem auch Jugendliche aus Österreich, Luxemburg und Belgien vertreten waren.

In den folgenden Jahren gewann der Breitensport immer mehr an Bedeutung. Viele neue Abteilungen wurden gegründet. Hauptziel bei allen Gruppen ist die Gemeinschaft, besonders hervorzuheben aber ist die Förderung der Kinder- und Jugendarbeit. Hier gebührt allen Übungsleitern, Trainern und Betreuern ganz besonderer Dank. Ohne sie ist eine rege und erfolgreiche Vereinstätigkeit nicht möglich. Durch ihr Vorbild, durch ihr grosses persönliches Engagement kann die heutige Jugend eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und einen Ausgleich in der sportlichen Gemeinschaft finden. Dass dies seine Richtigkeit hat, beweisen die vielen Titel, die persönlichen und gemeinschaftlichen Erfolge bis zum
heutigen Tage.

Bleibt zu hoffen, dass der Verein seine für die Lebensqualität in Neuhof so wichtige Aufgabe konsequent fortsetzen kann und wird.